Frauenpower im LSV

Flugschülerinnen des Luftsportvereins Zellhausen in luftigen Höhen unterwegs

„Das ist das Beste, was ich dieses Jahr gemacht habe, Mama!“

Berichtet die 15-jährige Nele Wolf, nachdem sie zum ersten Mal in einem Segelflieger des Luftsportverein Seligenstadt-Zellhausen e.V. (LSV) mitgeflogen ist.

Seit dieser WhatsApp-Nachricht gehört Nele zu den wenigen Frauen, die aktiv im LSV fliegen. Nur fünf der etwa 70 aktiven Mitglieder sind weiblich – im Vergleich zu anderen Luftsportvereinen sei das sogar viel, erklärt Nadine Schommartz, zweite Vorsitzende des LSV. Die Frage nach dem Grund für die geringe Frauenquote im Flugsport kann keines der Vereinsmitglieder so richtig beantworten.

Am wichtigsten sei es, laut Schommartz, Spaß am Fliegen zu finden, sich Zeit für das Hobby zu nehmen und Verantwortung zu tragen – das alles können Frauen zweifelsohne genauso gut wie Männer. Abschreckend könnte höchstens die technische Komponente sein. So müssen sich die Flugschüler im Theorieunterricht, der außerhalb der Saison im Winter stattfindet, auch mit der Physik hinter dem Fliegen befassen. „Nö, das ist nicht schwer“, sagt Flugschülerin Eva Juhrig und beweist, dass auch dieser Teil der Ausbildung im Rahmen des Möglichen liegt.

Stolze Fliegerinnen (v. l.): Lucy Gruß, Eva Juhrig, Nadine Schommartz (zweite Vorsitzende des LSV), Nele Wolf und Mia Fassing. © LSV

Paradebeispiel hierfür sind die vier aktiven Flugschülerinnen, die sich kein besseres Hobby vorstellen könnten. Zwar müssen sie viel Zeit für das Fliegen aufbringen – sei es am Wochenende auf dem Flugplatz, im Theorieunterricht oder in den Hallen, in denen die Flugzeuge im Winter instand gehalten werden – meistens „kloppen sie sich aber trotzdem nach einem langen Tag noch um die letzten Flüge“ berichtet Schommartz. Das beweist, wie viel Spaß die vier Mädchen und auch alle anderen Flugschüler am Fliegen haben.

Grund dafür ist die Jugendarbeit des Vereins. Mit zwölf Fluglehrern ist dieser breit aufgestellt. „Hier muss man sich nichts selbst beibringen“, lobt Juhrig. Nicht nur sie ist begeistert: Die 17-jährige Mia Fassing hatte irgendwann aus dem Fenster gesehen und sich gefragt „Wieso fliege ich eigentlich nicht da oben?“ Mittlerweile hat sie das geändert und sitzt selbst in den kleinen Flugzeugen, die an den Wochenenden regelmäßig über Zellhausen zu sehen sind. Dabei betont sie stolz, „nicht jeder kann von sich behaupten, alleine ein Flugzeug zu steuern“.

Mia in der ASK 21 im Endanflug

Ihr Hobby stößt oft auf Verwunderung: „Also du fliegst wirklich alleine in der Luft?“ ist eine Frage, die sie gut kennt. Schließlich dürfen die Fliegerinnen ein Segelflugzeug in über 400 Metern Höhe steuern, bevor sie ihren Auto-Führerschein machen dürfen. Es ist aber schon ab einem Alter von 14 Jahren möglich zu fliegen. Zwar ist stets ein Fluglehrer dabei, vorne sitzen und steuern dürfen die Flugschüler selbst.

Die über 400 Meter Höhe bieten den Piloten und Pilotinnen neben der Distanz zum Boden oft auch eine Distanz zum alltäglichen Stress. „Im Flugzeug ist man wie in einer anderen Welt“, sagt Schommartz. Man könne abschalten und habe „seine Ruhe von allem“, wie es Flugschülerin Juhrig auf den Punkt bringt. Bei einem Mitflug erkennt Journalistin Lucy Gruß auch als Laie, wie ruhig es in einem Segelflugzeug ist. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass das Fliegen langweilig ist. Ganz im Gegenteil – besonders der Start, bei dem das Flugzeug mit Hilfe eines Seils in steilem Winkel in die Luft gezogen wird, fühlt sich fast an wie eine Achterbahnfahrt.

Windenstart

Einmal oben angekommen, kann man die Aussicht genießen: Den Seligenstädter Klostergarten, das Freibad, oder das eigene Zuhause sieht man schließlich nicht alle Tage von oben. Kein Wunder also, dass die meisten Bekannten und Freunde auf das Hobby der jungen Frauen nicht unbedingt verwundert reagieren, sondern meistens versuchen, eine Gelegenheit zum Mitfliegen zu erhaschen. Solche Gelegenheiten bietet der LSV für alle anderen Interessierten. So können Besucher bspw. beim „Apen Airport“ selbst mitfliegen und den Verein kennenlernen. Im Bestfall läuft es so wie bei Schommartz, die nach ihrem ersten Flug – kaum aus dem Flugzeug ausgestiegen – bereits nach einer Beitrittserklärung Ausschau hielt. Vielleicht schreibt der ein oder andere nach seinem ersten Flug aber auch eine genauso begeisterte WhatsApp-Nachricht wie Nele Wolf.

Quelle: Von Lucy Gruß; Offenbach Post am 05.11.2022 – zum Originaltext