Was für ein Jahr!

2024 ist schon einen Moment her aber es gibt Fliegergeschichten, die müssen trotzdem noch erzählt werden. Denn 2024 war für unseren Nachwuchspiloten Noah ein ganz besonderes Jahr.

Von Noah haben wir hier schon öfter berichtet. Er war einer der wenigen Flugschüler, die bereits mit 14 Jahren ihre ersten Runden im Segelflugzeug alleine gedreht und mit 16 Jahren ihre Segelfluglizenz erhalten haben. Weiter ging es mit regelmäßigen vorderen Platzierungen im Jugendvergleichsfliegen und ersten Streckenflügen, die gleich weit über das Maß eines ersten Herantastens an die neue Materie hinaus gingen. Sein persönlicher Streckenflugrekord liegt mittlerweile bei 626 km.

Von einem Nachwuchspiloten kann man bei Noah mit seinen 18 Jahren deshalb bestenfalls noch altersbedingt sprechen. An Flugerfahrung hat er manchem alten Hasen schon einiges voraus. Alleine im vergangenen Jahr war er 200 Stunden lang in der Luft, was im Segelflug außergewöhnlich viel ist. Denn hier sind längere Flüge stark wetterabhängig und anders als beim Motorflug benötigt man immer ein kleines Team, um überhaupt abheben zu können.

Noah mit Freund Fabian im Duo Discus.

Was bei Noahs Rekordjahr sicherlich half, war, dass er aufgrund seiner außergewöhnlichen Leistungen vom Hessischen Luftsportbund ein Förderflugzeug zur Verfügung gestellt bekommen hatte. Dieses musste er sich mit einem anderen Piloten teilen aber im Vergleich zu unseren Vereinsflugzeugen, die von Dutzenden Piloten geflogen werden, schaffte „seine“ LS7 für ihn eine hervorragende Ausgangsposition.

Damit war er auf einem nicht mehr brandneuen aber sehr leistungsfähigen Einsitzer unterwegs, der während seiner Produktionszeit Anfang der 90er-Jahre bereits mit leistungssteigernden Winglets ausgestattet war. In unserem Verein betreiben wir unter anderem die sehr ähnlichen Typen LS4 und LS8, welche bei den Piloten immer noch hoch in der Gunst stehen und in der Gleitleistung auch noch mit modernen Muster mithalten können.

Noahs Förderflugzeug LS7. Sein treues Ross bei vielen Wettbewerben.

Die Menge der Geschichten, die Noah im Vorjahr erlebt hat, stellt einen Autor vor Probleme, denn man weiß kaum, wie ein Artikel ihnen gerecht werden soll, ohne wichtiges auszulassen. Am Ende erzählen die Bilder wahrscheinlich am besten von dem, was Noah immer wieder motiviert: seine Grenzen neu zu stecken und seine Begeisterung für die Fliegerei auszuleben. Und dabei gab es eine ganze Menge besonderer Momente, auf die mancher nur neidisch blicken kann.

Die Saison begann Anfang April und bereits Mitte April stand ein erster kleiner Streckenflug zu Buche, der allerdings auf dem Nachbarplatz in Langenselbold endete. Die Thermik ist zu dieser Jahreszeit meist noch nicht sehr zuverlässig.

Erste Wettbewerbsteilnahme bei den Wetzlarer Wochen

Bereits Ende April ging es zur ersten Wettbewerbsteilnahme für Noah überhaupt. Bei den Wetzlarer Wochen ging es meist über kürzere Distanzen. Noah flog immer wieder gute Tagesergebnisse heraus, so dass es am Ende zum dritten Platz reichte. Bei einem Wettbewerb sind die Tage für die Piloten in der Regel vollgepackt, denn neben der reinen Flugzeit braucht es Zeit für Organisation, Flugplanung und bei Außenladungen ggf. auch einige Stunden, um das Flugzeug wieder zum Flugplatz zurück zu bringen.

Auf Wettbewerbs-Starthöhe geht es in der Regel per Flugzeugschlepp.

Platz 3 bei seinem ersten Wettbewerb konnte sich sehen lassen.

Wettbewerb im Erzgebirge

Normalerweise ist für die meisten Piloten nach einem Wettbewerb der Hunger nach dem Fliegen für einige Zeit gestillt. Für Noah ging es jedoch 5 Tage später schon wieder weiter nach Großrückerswalde ins Erzgebirge bei Dresden zur Qualifikation für die Deutsche Juniorenmeisterschaft, die in diesem Jahr stattfinden wird. Dort reicht es für mehrere Streckenflüge über 350 km und mehr. In Summe war die Woche jedoch recht turbulent. Einzelne Flugtage mussten wegen starker Böen abgesagt werden, einmal schaffte Noah es gerade noch rechtzeitig, sein Flugzeug vor einem Hagelsturm im sicheren Anhänger zu verstauen.

Ein Wettbewerb heißt vor allem, gemeinsam der Flugbegeisterung zu frönen.

Mit gelegentlichen Widrigkeiten ist im Flugsport zu rechnen.

Eine besondere Begegnung

Aber auch jenseits von Wettbewerben gab es tolle Erlebnisse und erfreuliche Überraschungen. Zusammen mit dem ebenfalls noch jungen Fliegerkollegen Fabian startete er zu einem Streckenflug im Team über den Odenwald. Bei dieser Gelegenheit wurden Sie von einer Airbuspilotin gefilmt. Später stießen die beiden auf ihr Video mit den Aufruf an die Piloten, sich zu erkennen zu geben. Sie konnten es kaum glauben, denn die Pilotin war Elena Maskus, Initiatorin des Förderflugzeugprojektes für Hessen und man kannte sich persönlich.

Gemeinsam mit Fabian über dem Odenwald.

Nicht alles läuft wie geplant

Dass das Jahr auch seine Herausforderungen haben sollte, musste Noah dann in den folgenden Wochen feststellen. Beim Hohenloher Vergleichsfliegen war er ausnahmsweise mit der vereinseigenen LS8-18 unterwegs. Am ersten Tag reichte es für einen soliden dritten Platz. Am zweiten Tag jedoch wurde das Flugzeug nach einer Außenlandung durch einen Hagelschauer beschädigt, so dass der Wettbewerb zu einem vorzeitigen Ende kam.

Zurück auf der „eigenen“ LS7 gab es gleich die nächste unschöne Überraschung. Leistungssegelflugzeuge haben in den Tragflächen Wassertanks, die ein schnelleres Vorankommen bei gleicher Gleitleistung ermöglichen. Je nach Stärke der Thermik werden sie mit bis zu 150-200 Litern Wasser befüllt. Kurz vor der Landung wird der Ballast abgelassen, um die Landegeschwindigkeit des Flugzeugs wieder auf das normale Maß zu reduzieren. Bei Noah riss jedoch kurz nach dem Start der rechte Flächentank und 50 Liter Wasser ergossen sich in die Tragfläche. Nach dem Öffnen der Tanks und dem Ausschalten des Bordnetzes ging es sofort zur Landung. Der Tag endete mit einem Föhn in der Werkstatt, um das Flugzeug wieder trocken zu bekommen. Glücklicherweise waren ansonsten keine Schäden entstanden.

Wer sein Flugzeug liebt… der föhnt.

Wettbewerb in Bückeburg

Weiter ging es mit der Junioren-Qualifikationsmeisterschaft in Bückeburg, wo es wieder zu einigen vorderen Plätzen reichte. Ein besonderes Highlight war dabei ein Air-to-Air-Fotoshooting, dass ein flugbegeisterter Fotograf ermöglichte und so entstanden beim Formationsflug in den Sonnenuntergang einige traumhafte Fotos.

Dies und zahlreiche neu entstandene Freundschaften machten den Wettbewerb unvergesslich.

Noah in seinem Element.

Beim Air-to-Air-Shooting kam man sich näher.

In Formation mit einem Fliegerkollegen.

Fliegen bei Sonnenuntergang ist für Segelflieger etwas ganz besonderes.

Ein unvergesslicher Flug.

Vereinsrekord im neuen Duo Discus XLT

Zwischendurch reichte es eher nebenbei für einen Vereinsrekord im nagelneuen Doppelsitzer des Vereins, dem Duo Discus XLT. Wieder ging es hier mit Freund Fabian auf Strecke, wobei man sich im Doppelsitzer die Aufgaben teilen kann. Mit 506 km stellten die beiden Jugendlichen dann auch gleich einen Rekord mit diesem Flugzeug auf, den Sie nächstes Jahr noch ausbauen wollen.

Die Rekordhalter vor dem Start. Auf der Tragfläche liegt eine Trinkblase, oft die einzige Möglichkeit, in einem engen Segelflugzeug etwas zu trinken

Trainingslager in Tröstau

Wenn kein Wettbewerb anstand oder Rekorde zu brechen waren, wurde trotzdem trainiert. Es war mittlerweile Juli als es nach Tröstau in die Nähe von Bayreuth ging und Noah am Trainingslager des VFL Wetzlar teilnahm. Der Platz liegt am Treffpunkt von Erzgebirge, Bayerischem Wald und Thüringer Wald und ermöglicht es, häufiger als woanders schnell in Gebiete mit guten Flugbedingungen zu gelangen.

Tröstau von oben…

Da der Platz in den ersten beiden Tagen aufgrund von vorangegangenen Regenfällen durchnässt und nicht nutzbar war, startete Noah vom nahegelegenen Bayreuth aus. Die folgenden 8 Tage brachten fantastisches Streckenflugwetter und so sammelte Noah über 3.000 km und mehr als 50 Stunden Flugzeit.

…und von unten.

Lediglich der letzte Tag lief nicht wie geplant. Noah hatte sich eine Strecke von 500 km bis zur polnischen Grenze und zurück vorgenommen. Teilweise musste er Regenschauer umfliegen und bei ausbleibender Thermik war eine Außenlandung auf einem Acker im Erzgebirge, ganze 200 km Luftlinie vom Ziel entfernt, unausweichlich. Das Rückholerteam brauchte mit dem Anhänger 4 Stunden, um zu ihm zu gelangen. Ein älteres Ehepaar nahm Noah mit in eine nahe gelegene Gaststätte, so dass er dort auf seine Mannschaft warten konnte. Abgerüstet wurde kurz vor Sonnenuntergang und es dauerte bis ein Uhr nachts, bis man wieder in Tröstau angekommen war.

Außenlandungen gehören beim Streckenflug dazu.

Zum Glück gab es einen nahrhaften Zeitvertreib bis die Rückholer eintrafen.

Fliegerlager des LSV in Leibertingen

Das Fliegerlager in Leibertingen brachte dieses Jahr zwar viele fliegbare Tage mit sich, echtes Streckenflugwetter war aber rar. Noah war hier der einzige, der es einmal bis an den Alpenrand schaffte. Die Navigation zwischen den Kontrollzonen von Memmingen und Friedrichshafen war anspruchsvoll aber Noah schaffte es ins Voralpenland bei Agathazell und zurück nach Leibertingen.

Es war gelegentlich nicht viel Platz zwischen Bergen und Wolken.

Lahn-Dill-Bergland Cup – Junioren Qualifikationsmeisterschaft Standardklasse

Nach wenigen Tagen in Leibertingen ging es bereits weiter zum Lahn-Dill-Bergland Cup nach Marburg. Hier nahm Noah erstmals an einem Wettbewerb in der Standardklasse teil. Im Gegensatz zur bisher geflogenen Clubklasse sind hier leistungsfähigere Flugzeuge unterwegs und es darf mit Wasserballast geflogen werden. Da die Zellhäuser Flugzeuge bereits anderweitig verplant waren, erhielt er freundlicherweise das Förderflugzeug des Teams Airbatt, eine hervorragend ausgestattete LS8 mit Winglets.

Ein großes Teilnehmerfeld…

Gleich am ersten Wertungstag konnte Noah einen beeindruckenden zweiten Platz belegen. Nach einem intensiven Wettbewerb mit mehreren 5. und 6. Plätzen, geriet der letzte Tag zu einem echten Krimi. Ein sehr früher Start zeigte sich als hervorragende Entscheidung, denn die nachfolgenden Piloten hatten mit schlechter werdenden Bedingungen zu kämpfen. So reichte es erstmals zu einem Tagessieg und Platz 3 in der Gesamtwertung. Als bester Hesse wurde Noah damit gleichzeitig Junioren-Hessenmeister der Standardklasse.

…und am Ende wieder ein Platz auf dem Treppchen.

Coach beim JuFlie in Leibertingen

Obwohl Noah nun bereits 8 Wochen an Wettbewerben und Trainingslagern hinter sich hatte, ging es direkt noch einmal nach Leibertingen, um seinen Freund Fabian bei seinem ersten Wettbewerb zu unterstützen. Die beiden flogen im neuen Duo Discus XLT und Noah konnte sein Wissen und seine Erfahrung vom Rücksitz aus weitergeben. Es reichte jeden Tag für solide Plätze im Mittelfeld und auch für Fabian war es eine großartige Erfahrung.

Eine ungewohnte Perspektive.

Wellenflug über der Rheinebene

Während andere die Saison schon beendet hatten, folgte für Noah und ein paar Freunde noch mal ein I-Tüpfelchen auf die Saison. Wie an dieser Stelle schon berichtet, ging es bei einem Wellenflug vier Stunden lang über die Rheinebene. Spielend erreichte man 3.000 Meter Höhe und hätte mit Erlaubnis der Flugsicherung leicht noch höher steigen sollte. Leider wurde diese nicht erteilt, was dem Vergnügen jedoch keinen Abbruch tat. Ein Flug über den Wolken ist für Segelflieger jedenfalls etwas ganz besonderes.

Über den Wolken.

Dankeschön!

Was bleibt einem nach so einem Jahr zu sagen? Neben dem Stolz über die eigene Leistung ist Noah bewusst, dass diese Ansammlung an Höhepunkten ohne die Unterstützung und das Engagement anderer niemals möglich gewesen wäre. Neben den Möglichkeiten, die sich durch das Förderflugzeug aufgetan hatten, dankt er ganz besonders seinen Lehrern und der Schulleitung für ihr Vertrauen und die Möglichkeit, ihn zeitweise vom Unterricht frei zu stellen. Ein Riesendank geht auch an den früheren Zellhäuser Fluglehrer Ralph, der Noah oft aus der Ferne mit Flugdaten und wenn nötig auch mit aufbauenden Worten unterstützte.

Auch die Rückholteams bei all den Wettbewerben haben viel Zeit aufgebracht und nur durch die Summe der Unterstützung konnte Noah ein phantastisches Jahr mit grandiosen Flügen realisieren.

Ausblick

Noah lebt die Begeisterung für das Fliegen nicht nur in der Luft. Auch am Boden ist er seit letzten Jahr für den Segelflug engagiert. Mit großer Mehrheit wurde er zum hessischen Jugendleiter gewählt. Sein Ziel ist, Jugendliche für den Streckenflug zu begeistern und Trainingslager zu organisieren.

Schulisch steht das Abitur an. Unabhängig davon hat er bereits einen Vertrag mit der Deutschen Flugsicherung für ein Duales Studium im Luftverkehrsmanagement.

Einen weiteren Traum wird er sich schon vor dem Abitur erfüllen. Unser Verein bildet ihn zum Fluglehrer aus und so wird er der jüngste Fluglehrer Hessens oder ggf. auch ganz Deutschlands sein. Das bedeutet zwar, selbst weniger „auf Strecke“ zu gehen aber darin, andere zu fördern, hat er eine neue Berufung gefunden.

Und der ein oder andere Wettbewerb ist auch schon eingeplant…