Überflieger

Manche Dinge sind selten. Rekorde zum Beispiel. Andere sind noch seltener, z.B. wenn jemand ständig Rekorde aufstellt und allen vorauseilt. An so was muss man sich in unserem Verein derzeit gewöhnen. Und schön, wenn das nicht mit Neid sondern mit Anerkennung verbunden ist. So ist das zumindest bei unserem Noah der Fall, der in unserem Verein einen Rekord nach dem anderen aufstellt.

So setzte er sich vergangenen Freitag in ein Segelflugzeug und flog innerhalb von knapp 10 Stunden mal eben 926 km runter. Der bisherige Vereinsrekord von 815 km wurde dabei nicht nur überboten sondern pulverisiert.

Dass er bereits mit 14 Jahren das erste Mal alleine ein Segelflugzeug flog und mit 16 seine Fluglizenz erhielt, ist noch nicht das Bemerkenswerteste. Dass er direkt nach Scheinerhalt längere Streckenflüge bis jenseits der 500 km unternahm, war für einen 16-jährigen schon herausragend. Denn auf solchen Distanzen sind normalerweise nur die „alten Hasen“ unterwegs.

Weiter ging es mit regelmäßigen vorderen Platzierungen im jährlich stattfindenden Jugendvergleichsfliegen. Aufgrund seiner herausragenden Leistungen wurde ihm im vergangenen Jahr vom Hessischen Luftsportbund ein Förderflugzeug zur Verfügung gestellt. Mit dem war er dann innerhalb eines Jahres mehr als 200 Stunden in der Luft, belegte als Neuling bei Streckenflugwettbewerben immer wieder Plätze auf dem Podium und erlebte etliche herausragende Fliegergeschichten.

Kein Wunder, dass der Verein ihn trotz seines jungen Alters darum bat, Fluglehrer zu werden. Und das ist er nun seit seinem 19. Geburtstag und dürfte damit der jüngste Fluglehrer Deutschlands sein. Ja ja, wieder mal ein Rekord.

Das bedeutet für ihn nun, nicht mehr ganz so oft „auf Strecke zu gehen“, denn etliche Samstage und Sonntage bringt er nun dem jungen Fliegernachwuchs das Fliegen bei und kann dabei aus seiner für so junge Jahre schon mächtigen Erfahrung schöpfen.

Aber wenn sich die Chance ergibt, hält es ihn auch weiterhin in Sachen Streckenflug nicht am Boden. So kündigte sich am vergangenen Freitag wettermäßig ein Rekordtag an. Der Deutsche Wetterdienst sagte mögliche Flugdistanzen von über 700 km voraus. So stand Noah in aller Frühe mit unserer LS8 mit 18 Metern Spannweite und vollen Wassertanks bereit. Dass man ein Segelflugzeug mit Wasser betankt, mag erstmal kurios klingen, hat aber einen ganz einfachen Hintergrund. Ein schwereres Segelflugzeug hat die Eigenschaft, dieselben Flugleistungen bei einer höheren Geschwindigkeit zu erzielen. Wenn man es also ganz schnell ganz weit bringen möchte, ist das von großem Vorteil.

Gezogen von unserer Motormaschine ging es direkt bis zur ersten Wolkenstraße. Hätte der Motor des zuerst für den Schlepp vorgesehenen Ultraleichts morgens nicht noch Formschwächen gezeigt, hätte es für Noah ggf. zu 1.000 km gereicht aber irgendwelche Träume müssen im jungen Alter ja noch bleiben.

Noah im Zielanflug auf Zellhausen

Noahs Taktik war, sich ausschließlich in den Gebieten mit der besten Thermik aufzuhalten. Zunächst ging es Richtung Wasserkuppe. Die Wolkenstraße „zog“ ihn dort bereits mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 137 km/h hin. Danach ging es Richtung Süden, denn der Schwarzwald versprach, der beste Thermik-Hot-Spot zu werden. Über den Odenwald und vorbei an der Stuttgarter Kontrollzone flog Noah anschließend Richtung Schwarzwald und im Luv der Berge weiter in hohem Tempo bis kurz vor die Schweizer Grenze. Ein wenig Auf- und Ab am Schwarzwald bedeutet nicht die maximale Abwechslung aber dafür maximales Tempo.

Und so explodierte abends um halb 8 der Vereinschat, nachdem die Fliegerkameraden über ihre Flight-Tracker-Apps festgestellt hatten, dass Noah schon annähernd 900 km unterwegs und im Zielanflug auf Zellhausen war. So spät abends mit dem Segelflugzeug unterwegs zu sein, ist ein besonderes Erlebnis. Die Luft ist dann meist schon sehr ruhig und Thermik findet man bestenfalls noch ein wenig in großer Höhe. So schwebte Noah mit den letzten Energiereserven Richtung Zellhausen ein, ließ im Endanflug den Wasserballast ab und landete erschöpft aber glücklich nach fast 10 Stunden im engen Cockpit.

Gelandet. Was für eine Leistung!

Begeistert empfangen wurde er von seinen Rückholern Max und Hendrik. Dann musste er erstmal sacken lassen, was er mit Erfahrung, Können und der optimalen Taktik gerade geschafft hatte.

Ob Noah weitere Rekord schafft, ist eigentlich keine Frage des ob, sondern des wann. Der Verein gratuliert seinem jungen Überflieger.